ist ein Tanz aus Japan, der dort in den 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand.

Ein Teil der Geschichte des Butoh ist mit dem deutschen expressionistischen Tanz verbunden, bei dessen wichtigsten Repräsentanten Rudolf von Laban und Mary Wigman schon in den Zehner und Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts japanische Tänzerinnen und Tänzer in die Lehre gegangen sind. Bei ihrer Rückkehr nach Japan haben sie in eigenen Tanzstudios Theorie und Praxis des Ausdruckstanzes gelehrt. Dort nahmen die Gründer des Butoh, Kazuo Ohno(1906) und Tatsumi Hijikata(1928- 1986), ihren ersten Tanzunterricht. Hijikata markiert 1959 mit der performance-artigen Vorstellung „Kinjiki“ (verbotene Farbe) nach einem Roman von Yukio Mishima den Anfang des Butoh. In den 70er Jahren hörte Hijikata auf, selbst zu tanzen und begann für andere Tänzer zu choreografieren und zu inszenieren. Mit seiner wichtigsten Tänzerin Yoko Ashikawa hat er einige der markantesten Stilmerkmale des Butoh erarbeitet, beispielsweise das meditative Gehen mit gebeugten Knien (Slow Walk), endlos fließende, organische Bewegungsabläufe, shirome- die hochgedrehten weißen Augen, ekstatische Gefühlsausbrüche. Hijikata wird als der Architekt des Butoh betrachtet, Ohno hingegen als die Seele. Der ehemalige Sportlehrer ist jahrelang mit Hijikata zusammen aufgetreten, sein eigentlich spektakuläres coming out erlebt der 71jährige allerdings mit einem Solo „Hommage a La Argentina“, worin Ohno seine Begegnung mit der berühmtem spanischen Tänzerin verkörpert.

bu-yoh traditioneller, regelgeleiteter japanischer Tanz

bu-toh stampfender, freier Tanz

Butoh – ursprünglich Ankoku Butoh gennannt, was Tanz der Dunkelheit oder Finsternis bedeutet – entsteht im subkulturellen Klima der Großstadt. Der Tanz wendet sich einerseits gegen den westlichen „modern dance“ und andererseits gegen die erstarrten Formen des „Nihon Buyo“, den japanischen, traditionellen Bühnentanz. Durch Rückgriff auf archaische Ausdrucksmittel wie Nacktheit, Körperbemalung, Grimassierung, Meditation und Trance sowie durch die Verwendung einer Fülle von Attributen und Requisiten aus der Folklore und dem Alltag, entwickelt sich experimentell eine eigenständige Tanzform.

 

Die Urprünge des Daseins werden ergründet, Erinnerungen und Unbewusstes gehören zu Butoh ebenso wie das Leben und der Tod. Charakteristisch für Butoh sind u.a. die Entindividualisierung des Körpers, die Expressivität der Gesten und Posen, die extreme Langsamkeit der Bewegungen, der Verzicht auf ein logisches Handlungsgerüst sowie die Entwicklung einer Metaphorik des Unbewussten. Butoh ist eine einzigartige Sprache, in der auf die Stille gehört, auf die Leere geschaut wird.

Japan hatte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur den Schock der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zu überwinden, sondern erlag auch wirtschaftlich und kulturell westlichem Einfluss. In Folge entstand ein kultureller Identitätsverlust des Inselvolkes, das sich dank seiner intensiven Pflege tradierter Werte für unbesiegbar gehalten hatte. Mit zunehmender Verwestlichung wächst auch der Widerstand gegen die Entfremdung. Im Zentrum der Megapolis Tokio treffen sich Künstler aller Sparten auf der Suche nach einer neuen Identität, die jedoch die eigenen kulturellen Wurzeln nicht ausschließt.

 

Literatur:

Butoh, Die Rebellion des Körpers, Ein Tanz aus Japan,
Michael Haerdter und Sumie Kawai,
Alexander Verlag Berlin 1986